Handtmann Tradition - Gestern & Heute
Faszinierende Bilder und ihre Geschichten
Anlässlich unseres 150-jährigen Jubiläums feiern wir unsere Gegenwart und sind gleichzeitig stolz auf unsere Vergangenheit. In unserer Serie "gestern & heute" zeigen wir Ihnen Bilder aus der Geschichte unseres Unternehmens und vergleichen sie mit heutigen Impressionen. So bekommen Sie einen Eindruck davon, was sich verändert hat, aber auch, wo es noch Ähnlichkeiten zu früher gibt.
Die Entwicklung des Handtmann Logos von 1873 bis heute
Identität beginnt beim Erscheinungsbild – Einheitlichkeit in der Vielfalt
Vor allem seit den 1970er Jahren ist der Wiederkennungswert der Marke Handtmann bestens gegeben. Erst recht, als das typische Handtmann Orange – als Signal für Wärme, Geborgenheit und damit Stabilität mittlerweile als Corporate Colour fest in unserem Corporate Design verankert – zum Logo dazukam. Der Claim „Ideen mit Zukunft“ ist seit Beginn der 2000er Jahre Bestandteil unseres für alle Handtmann Gesellschaften geltenden Unternehmenslogos und formuliert einen konkreten Anspruch: Die Handtmann Unternehmensgruppe liefert als innovatives Unternehmen weltweit anspruchsvolle Lösungen in unterschiedlichen Technologiebereichen.
In ihrer langen Geschichte veränderte und entwickelte sich die Handtmann Unternehmensgruppe und natürlich auch der Betriebsstandort am Stammsitz in Biberach ständig weiter.
Dank des technischen Fortschritts müssen Beschäftigte heutzutage keine Handwägen mehr schieben, um beispielsweise Material von einem Ort zum anderen zu transportieren. Heute gibt es unter anderem motorisierte Fahrzeuge wie Gabelstapler.
2002 wurde die Birkenallee zu Ehren des in 2018 verstorbenen Arthur Handtmann von der Stadt Biberach in Arthur-Handtmann-Straße umbenannt.
Die Handtmann Maschinenfabrik wurde 1954 gegründet. 2000 zog das Unternehmen von der Birkenallee an den Standort Hubertus-Liebrecht-Straße im Biberacher Gewerbegebiet Aspach um.
In unserer Reihe „Gestern und Heute“ geben wir einen kleinen Eindruck, wie sich die Ausbildung in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt hat.
Einige unserer sechs Geschäftsbereiche sind von Anfang an Teil unserer Unternehmensgeschichte. So fertigt die Handtmann Armaturenfabrik seit fast 150 Jahren Komponenten und Armaturen für die Getränkeindustrie. Darauf sind wir sehr stolz und zeigen gerne unsere Kompetenz auf diesem Gebiet.
Ohne unsere visionären Firmenchefs, die unser Unternehmen seit 150 Jahren sowohl durch gute als auch durch schwierige Zeiten führen, wären wir heute nicht da, wo wir sind. Sie stehen für die unternehmerische Kontinuität unseres Familienunternehmens seit 1873.
2023 übergibt Thomas Handtmann nach 25 Jahren die Geschäftsführung an seinen Neffen Valentin Ulrich und seinen Sohn Markus Handtmann. Mit dem neuen Führungsduo übernimmt die fünfte Generation das Ruder.
1998 hatte Thomas Handtmann die Leitung von seinem Vater Arthur übernommen, der das Unternehmen ab 1953 zu internationalem Erfolg führte. Zwischen 1919 und 1953 lenkte dessen Vater Karl die damalige Messinggießerei Handtmann durch die schwierigen Zeiten der Inflation 1923, Weltwirtschaftskrise 1929 und Nachkriegsjahre nach 1945.
Handtmann Messeauftritt gestern und heute
Früher waren die Arbeitsmaterialien unserer Auszubildenden analog und meistens schwarz-weiß. Heute werden Papier und Stift weitgehend von digitalen Medien abgelöst.
Mit einer Gießerei fing bei Handtmann alles an. Aus der handwerklichen Messinggießerei in Biberach ist im Laufe von 150 Jahren ein international agierendes Technologieunternehmen geworden. Der Handtmann Geschäftsbereich Leichtmetallguss ist auch heute noch bedeutend. Er beschäftigt mit über 2.150 Mitarbeitenden rund die Hälfte aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der gesamten Unternehmensgruppe.
Mensch und Maschine – während der Aluminium-Sandguss in den 1960er Jahren noch in Handarbeit erfolgte, erledigen Roboter heute die Befüllung der Formen mit flüssigem Aluminium.
Arbeitsvorbereitung in der Gießerei 1976 und heute. In der Arbeitsvorbereitung werden seit jeher die Gießformen konstruiert.
Gestern & Heute
1873 als kleine, handwerkliche Messinggießerei in Biberach an der Riß gegründet, entwickelte sich die Firma bis heute zum global tätigen Technologieunternehmen mit 4.300 Mitarbeitenden in sechs Geschäftsbereichen. Handtmann ist geprägt von seiner nachhaltigen visionären Kraft und Weltoffenheit gepaart mit schwäbischer Bodenständigkeit.
Gründerportrait
Christoph Albert Handtmann: Unternehmer mit Gespür für Innovation
150 Jahre Handtmann. Wir werfen einen Blick zurück auf den Mann, mit dem die Geschichte unseres Unternehmens begann: Christoph Albert Handtmann (1845-1918). Unser kurz Albert gerufene Gründer steht für unsere handwerklichen Wurzeln, zeigte aber schon damals die Innovationsfreude und den Unternehmergeist, der uns ausmacht.
Christoph Albert Handtmann kommt am 6. Februar 1845 als achtes Kind von Sophie Dürr (1805-1867) und dem Bäcker Johann Christoph Handtmann (1794-1853) zur Welt. Von jeher drängt es ihn, seinen Horizont zu erweitern. So geht der Handwerksgeselle Mitte der 1860er-Jahre auf die Walz.
In Kempten arbeitet er als Glockengießer. Dabei lernt er nicht nur den aufwendigen Bronzeguss kennen, sondern ebenso den günstigeren Messingguss, damals auch „Gelbguss“ genannt. Nächste Station für Albert Handtmann ist Sachsen, wo er Kenntnisse im Maschinenbau erwirbt und zum Mechanikermeister avanciert.
Nach rund zehn Jahre auf Wanderschaft kehrt Albert Handtmann mit Ende zwanzig nach Biberach zurück, um sich niederzulassen. Im Jahr 1873 macht er sich selbstständig und gründet im Gebäude der Bachmühle am Ehinger-Tor-Platz 21 die „Mechanische Werkstätte und Gelb-Gießerei Albert Handtmann“.
Gutmütig und belesen
Für die Aufgeschlossenheit gegenüber technischen Innovationen – ein Erfolgsrezept unseres Unternehmens – legt Albert Handtmann die Basis. Er stellt zum Beispiel für seine Metallgießerei einen ölbefeuerten Schmelzofen auf, mit dem sich die erforderlichen 1.000 Grad Celsius für das Schmelzen von Metall schneller erreichen lassen als mit den damals üblichen Kohleöfen.
Der Unternehmer galt generell als belesen und gebildet. Neben der Fachliteratur habe er ungewöhnlich viele Bücher besessen und einen gutmütigen Charakter gehabt, wird über ihn gesagt. Unterstützt durch seine Frau Anna Marie, die in Familiendingen das Heft in der Hand hatte, lag sein Fokus ganz auf dem Betrieb.
Bemerkenswert vielseitig
Mit kaufmännischem Gespür gelingt Albert Handtmann immer wieder eine Erweiterung oder Neuausrichtung des Geschäfts. Seine Vielseitigkeit ist bemerkenswert. Im Katalog der Bezirksgewerbe-Ausstellung in Biberach im Jahr 1900 führt er als Produkte an: „Eisschränke und Eisbuffets, Kohlensäure-, Luft- und Wasserdruckapparate. Hahnen u. Verschraubungen aller Art. Gummischläuche. Dick-, Circular-, Flügel-, Saug- u. Druckpumpen“.
Für entlegene Bauernhöfe konstruiert Handtmann sogenannte hydraulische Widder, die Wasser aus einem Bach lediglich mit Hilfe von Staudruck auf ein höheres Niveau heben und so die Versorgung sicherstellen. Für Jahrzehnte zählen außerdem Deckel, Verschraubungen, Ventile und verkapselte Manometer für die Destillationsapparate von Obstbrennereien zu Bestsellern.
Sein geschärfter Unternehmergeist zeigt sich auch, als Albert Handtmann 1894 eine Dampfmaschine kauft. Die Stadt hatte ihm zuvor die Pacht der Wasserkraft gekündigt, mit der er bislang seine Drehbank, die Fräsen und die Bohrer antrieb. Schnell erkennt er, dass sich der Abdampf der Maschine zum Dämpfen von Wäschestücken verwenden lässt und gründet eine Wäscherei.
Gemeinsam durch die Krise
Albert und Anna Maria Handtmann haben neun Kinder. Der älteste Sohn Karl Albert (1874 – 1951) tritt schon früh als Nachfolger in den elterlichen Betrieb ein und wird Mechanikermeister und Gießer. Es ist aber der dritte Sohn, Adolf Karl (1884 – 1953), der die Handtmann Linie weiterführt. Zunächst übernimmt er gemeinsam mit seinem älteren Bruder die Firma, später wird er zum alleinigen Inhaber.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs macht Messing zum kriegswichtigen Stoff, sodass Albert Handtmann gezwungen ist, die Herstellung von Brauerei- und Brennereiarmaturen einzustellen. Rüstungsproduktion übernimmt er nicht. Daher bleibt ihm nur die Fertigung bronzener Gleitlager für Lokomotiven und Schmierlager für Pferdegespanne. Es folgen herausfordernde Zeiten. Die Belegschaft schrumpft zeitweise auf seinen Sohn Karl Albert und fünf bis sechs Arbeiter, die vom Kriegsdienst zurückgestellt sind. Gemeinsam halten sie das Unternehmen über Wasser.
Das Kriegsende erlebt Christoph Albert Handtmann nicht mehr, am 16. Juni 1918 stirbt er im Alter von 73 Jahren. Dennoch hat der Senior seine Firma so gut aufgestellt, dass sie diese und alle nachfolgenden Krisen erfolgreich meistert. Heute ist Handtmann eine von nur zwei Firmen in Biberach, die seit der Industrialisierung in Oberschwaben Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts ohne Unterbrechung fortbestehen. Mit seinem feinen Gespür für Innovation und seinem unvergleichlichen Unternehmergeist hat unser Gründer das Fundament für unsere Erfolgsgeschichte gelegt.
Die Handtmann Firmenchefs: Unternehmerische Kontinuität seit 1873
Im April 2023 überträgt Thomas Handtmann nach 25 Jahren in der Firmenleitung die Geschäftsführung der Handtmann Unternehmensgruppe an seinen Sohn Markus Handtmann und seinen Neffen Valentin Ulrich. Thomas Handtmanns Name ist untrennbar verbunden mit der Expansion von Handtmann zum weltweit operierenden Technologieunternehmen mit Produktionsstätten, Niederlassungen und Werksvertretungen in über 100 Ländern. Er baute dabei auf der Arbeit seines Vaters Arthur Handtmann auf, der nach dem Zweiten Weltkrieg mit strategischem Weitblick die entscheidenden Weichen für eine erfolgreiche Zukunft stellte und aus einer handwerklich orientierten Messinggießerei eine Firma von Weltruf mit einem breiten Spektrum an Produkten und Geschäftsbereichen formte.
Thomas Handtmann, am 22. März 1953 in Ravensburg geboren, verheiratet und Vater von sechs Kindern, tritt 1982 mit 29 Jahren als Mitarbeiter der Handtmann Maschinenfabrik in die Firma Handtmann ein. Sein Weg als späterer Unternehmenschef ist bereits als Kind vorgezeichnet, hilfreich dabei ist das Interesse des Jungen für Technik und Maschinen. Die Firma lernt er unter anderem bei den samstäglichen Rundgängen mit seinem Vater durch die Gießerei und die Armaturen- und die Maschinenfabrik kennen. Nach dem Besuch des Biberacher Wieland-Gymnasiums absolviert er von 1972 bis 1975 eine Ausbildung zum Maschinenschlosser bei der Zahnradfabrik Friedrichshafen. So lernt er schon frühzeitig die praktische Seite der Arbeit in einem Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie kennen. Aus dieser Zeit resultiert auch ein ausgeprägtes Faible für Zahnräder und Getriebe, wie sie in den Portionier- und Abfüllmaschinen von Handtmann zum Einsatz kommen.
Thomas Handtmann: in der Welt zuhause
1976 beginnt Thomas Handtmann ein Maschinenbaustudium an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich, wechselt dann aber zum Betriebsingenieurwesen. Um Berufserfahrung auswärts zu sammeln, tritt er 1980 nach seinem Hochschulabschluss eine Stelle als Konstrukteur bei der Firma Liebherr Verzahntechnik in Kempten an. Bereits 1982 ereilt ihn aber ein dringender Ruf nach Biberach, wo er als Entwicklungsleiter der Maschinenfabrik seinen Vater in der Geschäftsführung unterstützen soll. Bei Handtmann sind damals 630 Mitarbeiter beschäftigt. Trotz der verantwortungsvollen Aufgabe zieht es ihn 1986 als Austauschingenieur nach Japan, um in der Satellitenabteilung von Mitsubishi Electric seinen beruflichen Horizont zu erweitern. Zurück in Biberach an der Riß, übernimmt Thomas Handtmann 1987 die Leitung der Armaturenfabrik.
Es folgen Stationen als Geschäftsführer der Handtmann Entwicklungs-GmbH (1991-1998), der Handtmann Maschinenfabrik und der zwischenzeitlich zur Handtmann Unternehmensgruppe gehörenden A-Punkt Automation GmbH (jeweils 1995-1998), bevor Thomas Handtmann anlässlich des 125. Firmenjubiläums seinen Vater als verantwortlichen Geschäftsführer der Handtmann Holding ablöst. Senior Arthur Handtmann wird Vorsitzender des neugegründeten Beirats.
Die Handtmann Unternehmensgruppe zählt damals 1.592 Beschäftigte und sieht sich den Herausforderungen der Globalisierung gegenüber. Durch Konkurrenz aus Fernost gerät in den 1990er-Jahren die europäische Gießereilandschaft in bedrohliche Schieflage. Handtmann begegnet dem mit einer Vorwärtsstrategie und verbessert konsequent ihre Fertigungsabläufe, um die von den Kunden aus der Automobilindustrie geforderten Preisnachlässe aufzufangen. Zusätzlich setzt das Unternehmen auf Neuentwicklungen sowie innovative Gießverfahren und führt im Leichtmetallguss den Drei-Schicht-Betrieb ein.
Um im weltweiten Innovationswettlauf zu bestehen, investiert Handtmann zwischen 1990 und 1998 insgesamt 200 Millionen D-Mark in die Modernisierung. Unter Thomas Handtmann folgen zwischen 1998 und 2006 weitere 250 Millionen, diesmal in Euro. Die Summen werden nur möglich durch den Verzicht der Familie Handtmann auf Gewinnentnahmen. Konsequenz des Investitionsprogramms: Bis 2006 entstehen bei Handtmann 500 neue Arbeitsplätze. Von den Ausgaben profitiert nicht nur der Traditionsstandort Biberach. Um das Stammwerk von einfachen Druckgussteilen zu entlasten, erwirbt Handtmann 2005 in Košice in der Ostslowakei einen alten Stahlbaubetrieb und baut ihn zu einem neuen Druckgusswerk um.
Weiteres wichtiges Projekt der Ära Thomas Handtmann und mit rund 80 Millionen Euro die größte Einzelinvestition in der Handtmann Unternehmensgeschichte ist der Bau eines Metallgusswerks zur Produktion von Getriebe- und Kupplungsgehäusen am Rande der chinesischen Millionenstadt Tianjin. Die Handtmann Light Metal Foundry (Tianjin) Co., Ltd. nimmt im November 2014 den Betrieb auf.
Vorsprung durch Innovation und Internationalisierung
Um weltweit mithalten zu können, setzt Thomas Handtmann auch in anderen Unternehmensbereichen auf Innovation und Internationalisierung. Hierzu zählt die Neuentwicklung US-zertifizierter Sicherheitsventile, mit denen der Handtmann Geschäftsbereich Anlagenbau einem möglichen Wegbrechen von Marktanteilen begegnet, ebenso wie 2020 die Integration der Firma Inotec GmbH sowie 2021 des niederländischen Anbieters Verbufa in den Geschäftsbereich Füll- und Portioniersysteme. Dies versetzt Handtmann in die Lage, komplette Produktionslinien für die Lebensmittelindustrie aus einer Hand anzubieten.
Mit den neuen Geschäftsbereichen Systemtechnik und e-solutions sichert Thomas Handtmann darüber hinaus die Zukunft der Biberacher Unternehmensgruppe als Zulieferpartner der Automobilindustrie ab und geht einen wichtigen Schritt Richtung Elektromobilität. Die umsichtige Strategie des Firmenchefs zahlt sich aus: Die Mitarbeiterzahl steigt zwischen 2006 bis 2022 trotz des herausfordernden wirtschaftlichen Umfelds von 2.300 auf 4.300 Personen. Im gleichen Zeitraum wächst der Umsatz von 441 Millionen Euro auf 1,1 Milliarden Euro.
Arthur Handtmann: Schöpfer der modernen Handtmann Unternehmensgruppe
Der unternehmerische Erfolg von Thomas Handtmann fußt auf dem Lebenswerk von Albert Arthur Georg Handtmann (1927-2018), kurz Arthur. Nach dem Tod des Vaters Karl Handtmann 1953 mit gerade einmal 26 Jahren zum alleinigen Firmeninhaber geworden, formt er in den folgenden 45 Jahren mit strategischem Weitblick aus einem Handwerksbetrieb ein breit aufgestelltes Unternehmen von Weltruf, vergisst dabei aber nie seine oberschwäbischen Wurzeln. Bis heute erfolgt der größte Teil von Entwicklung und Produktion bei Handtmann am Stammsitz Biberach.
Arthur Handtmann tritt bereits 1945 als Gesellschafter in die Firma ein, die damals gerade 18 Mitarbeiter zählt. Als Vorbereitung für sein Ingenieurstudium in Karlsruhe absolviert er eine zweijährige Praktikantenzeit, in der er formt, gießt, Ware ausfährt und so „von der Pike auf“ lernt. Kaum hat er 1950 sein Studium beendet, übernimmt er, der Gesundheitszustand des Vaters lässt ihm keine Wahl, Verantwortung im Familienunternehmen. Zunächst bedient Handtmann weiterhin die alten Kunden – Kupferschmiede und Brauereiausstatter – mit Messingarmaturen, dem frischgebackenen Hochschulabsolventen ist aber klar, dass dieses Geschäftsmodell keine echte Zukunft hat. Stattdessen setzt er auf den Werkstoff Aluminium. Wie später so oft beweist er damit das richtige Gespür. 1952 übernimmt er für die Firma Weishaupt aus dem nahegelegenen Schwendi den Aluminiumguss von Brennerteilen und Lüftergehäusen. Für Handtmann ist dies der Durchbruch, 1952 übertrifft der Umsatz erstmals die Millionen-D-Mark-Schwelle, Handtmann ist im Wirtschaftswunder angekommen.
Auch mit den Mitarbeiterzahlen geht es bergauf. Bereits 1949 sind 51 Personen bei Handtmann beschäftigt, so viele wie nie zuvor, 1950 bereits 56 und ein Jahr später 65, der Beginn einer kontinuierlichen Aufwärtsentwicklung. Schritt für Schritt macht Arthur Handtmann in der Folgezeit aus seiner Gießerei ein industrielles Metallgusswerk, weitet den Aluminiumguss auf alle modernen Gießverfahren aus und erschließt dadurch ab den 1980er-Jahren den großen Zuliefermarkt der Automobilindustrie. Heute ist der Handtmann Geschäftsbereich Leichtmetallguss mit seinen Standorten in Biberach, Annaberg, Košice, Kechnec (jeweils Slowakei) und Tianjin (China) die viertgrößte deutsche Aluminiumgießerei und die größte deutsche Gießerei in Familienbesitz mit über 2.150 Mitarbeitern.
Die zweite zukunftsweisende Entscheidung Arthur Handtmanns ist der Aufbau einer Fabrik zur Herstellung von Portioniermaschinen für die Wurstherstellung als eigenständiger Geschäftsbereich. Die Maschinenfabrik startet 1954 bescheiden als Fünf-Mann-Betrieb. Nach mühsamen Anfangsjahren gelingt 1962 mit einer neuen Familie von Portionier- und Abdrehmaschinen sowie Kolbenfüllern der Durchbruch. 1964 beschäftigt die Abteilung bereits 80 Personen, 1979 sind es 300. Bis 2022 steigt die Belegschaft des heute offiziell Füll- und Portioniersysteme genannten Geschäftsbereichs auf 1.373 Beschäftigte. Längst ist nicht mehr nur die Fleischindustrie Adressat von dessen Produkten, sondern die Lebensmittelindustrie in ihrer gesamten Vielfalt.
Erfolg durch langen Atem und strategischen Weitblick
Dass ein langer Atem mehr Erfolg mit sich bringen kann als das Schielen auf kurzfristigen Gewinn, zeigt Arthur Handtmann auch mit seinem Einstieg in die Kunststoffentwicklung. 1968 gründet er die Handtmann Elteka mit dem Ziel, marktfähige Produkte aus dem vielversprechenden Kunststoff Lauramid® herzustellen. In den 1960er-Jahren wird nämlich deutlich, dass dem Metallgewerbe durch innovative Kunststoffe Konkurrenz erwachsen könnte. Als visionärer Firmenlenker will Arthur Handtmann sich darauf vorbereiten. Am Ende wird es 15 Jahre dauern, bis Lauramid® zur Fertigungsreife gelangt und neue Kundenkreise erschließt. Heute ist der Werkstoff in vielen Bereichen nicht mehr wegzudenken, zum Beispiel für die Rollen von Seilbahnen oder Lieferwagen-Schiebetüren.
Auch die Entwicklung der Armaturenfertigung hin zum kompletten Anlagenbau und zum Engineering-Partner der Getränkeindustrie und chemisch-pharmazeutischen Industrie bei der Konzeption ganzer Prozessanlagen fällt in die Ära Arthur Handtmann. So erhält 1993 Handtmann von der mexikanischen Brauereigruppe Grupo Modelo den Auftrag, für die damals größte Braustätte der Welt im mexikanischen Zacatecas das Leitungssystem zu entwerfen, zu bauen und zu verlegen.
Als Arthur Handtmann 1998 die Geschäftsführung an seinen Sohn Thomas übergibt, arbeiten 28-mal so viele Mitarbeiter im Unternehmen wie 1950, als er in die Geschäftsleitung einstieg. In Anerkennung seiner Verdienste als Unternehmer und für das Allgemeinwohl erhält Arthur Handtmann 2015 den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland erster Klasse. Am 14. April 2018 stirbt der Seniorchef im Alter von 91 Jahren.
Karl Handtmann: der Krisenmanager
Arthur Handtmanns Vater Adolf Karl Handtmann (1884-1953) lenkt die damalige Messinggießerei Handtmann durch die schwierigen Zeiten der Inflation 1923, Weltwirtschaftskrise 1929 und Nachkriegsjahre nach 1945. Eigentlich ist Karl, wie der dritte Sohn von Unternehmensgründer Albert Handtmann gerufen wird, gelernter Kaufmann. Früh zieht es den sprachbegabten, mit Neugier und einem guten Auftreten ausgestatteten jungen Mann in die weite Welt, zunächst nach England, dann nach Frankreich, wo er beides mal im Textilgroßhandel arbeitet. In England lernt er auch seine Frau kennen, mit der er drei Töchter hat.
Nach Kriegsende tritt er in den Familienbetrieb Handtmann ein, wo der Bruder Karl Albert (1874-1951), kurz Albert, die Regie führt. Dort erweist er sich als Modernisierer, erweitert das traditionelle Geschäft mit Armaturen für Brauereien und Brennereien den Großhandel für Installateure mit Wasserhähnen und Rohrverbindungsstücken und investiert in neue Maschinen. Das Verhältnis des weltgewandten, neuen Entwicklungen stets offen gegenüberstehenden Karl zu seinem Bruder, der an einer traditionellen handwerklichen Arbeitsweise festhalten will, ist deshalb angespannt. Wegweisend für die weitere Geschichte der Firma Handtmann ist der Wegzug aus der Innenstadt an die damals noch am Ortsrand gelegene Fabrikstraße im Jahr 1929.
1922 heiratet Karl Handtmann ein zweites Mal: ebenfalls eine Engländerin, die Schwester seiner 1916 verstorbenen Frau. 1927 kommt Sohn Albert Arthur Georg zur Welt, der ab den 1950er-Jahren das Unternehmen zu internationaler Größe führen wird. Angesichts des Verlusts aller Rücklagen durch die Inflation sowie der Weltwirtschaftskrise, in deren Verlauf die Handtmann Belegschaft auf fünf Mitarbeiter sinkt, lebt die Familie zur Miete, dann ab 1929 in den Bühnenräumen über der neu eingerichteten Gießerei. Erst 1937 kann sie in ein Nachbarhaus zur Fabrik einziehen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg baut der krisenerprobte, mittlerweile schwer herzkranke Karl Handtmann seinen Sohn systematisch zum Nachfolger auf. Gemeinsam beweisen sie beim Neuanfang großes Improvisationstalent, nutzen Sand aus Fuchsbauten als Formsand für den Messingguss, schlachten Flugzeugswracks aus, um aus dem Metall Waffeleisen und Spätzlepressen zu gießen, und schlagen illegal Holz, um die Öfen in der Fabrik zu feuern.
Karl Handtmann erlebt noch den ersten Großauftrag von Sohn Arthur für Aluminiumgussteile und die Geburt seines Enkels Thomas, bevor er im August 1953 mit 68 Jahren stirbt.
Albert Handtmann: der Gründer
In seinem Bestreben, den persönlichen Horizont zu erweitern, gleicht Karl Handtmann seinem Vater Christoph Albert Handtmann (1845-1918). Der kurz Albert gerufene Unternehmensgründer gilt als belesen und gebildet. Bevor er sich in seiner Heimatstadt Biberach niederlässt, geht der gelernte Waffenschmied auf Wanderschaft, die ihn bis nach Sachsen führt. In dieser Zeit erlernt er zusätzlich das Metier des Glockengießers und avanciert zum Mechanikermeister. Sein Bestreben voranzukommen, zeigt sich auch in seiner Aufgeschlossenheit gegenüber neuen technischen Ideen. So stellt Albert Handtmann für seine 1873 eröffnete „Mechanische Werkstätte und Gelb-Gießerei“ einen ölbefeuerten Schmelzofen auf, der die erforderlichen 1.000° C für das Schmelzen von Metall schneller erreicht als die damals üblichen Kohleöfen. Zudem findet Albert Handtmann mit kaufmännischem Gespür und Unternehmergeist immer wieder eine Erweiterung oder Neuausrichtung seines Geschäfts und liefert damit das Vorbild für alle späteren Handtmann Firmenchefs.