Zum 90. Geburtstag von Arthur Handtmann

Arthur Handtmann: Eine Galionsfigur mit Herz

(Ein Artikel der Schwaebischen Zeitung Biberach von Redakteur Daniel Häfele.)

Arthur Handtmann - 90. Geburtstag

Eine Sommerlinde für den Jubilar: Oberbürgermeister Norbert Zeidler (links) und Arthur Handtmann (Foto: Daniel Häfele, Schwäbische Zeitung)

Der Biberacher Unternehmer und Ehrenbürger feiert seinen 90. Geburtstag

Biberach/sz Er hat aus einer kleinen Metallgießerei mit 18 Mitarbeitern, die aus abgestürzten Flugzeugteilen Spätzlepressen und Waffeleisen goss, ein Weltunternehmen mit 3600 Mitarbeitern gemacht: Arthur Handtmann. Der Biberacher, der als einziger Träger aller städtischen Ehrentitel ist, feierte am Montag seinen 90. Geburtstag. Zu einer Matinee im Rathaus kamen neben seiner Familie viele Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kirche. Die Kleine Schützenmusik sorgte für den musikalischen Rahmen.

Es ist das Jahr 1945, als Arthur Handtmann als junger Mann aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft nach Biberach zurückkehrt. „Ich vergesse den Tag nie, als mich mein Vater fragte, ob ich mich trauen würde, den Betrieb so bald wie möglich zu übernehmen“, sagte Arthur Handtmann bei seiner Rede im Rathaus. Die nächsten drei Jahre seien für ihn Teufelsjahre gewesen. Er musste sich möglichst schnell alles aneignen, was für die Führung eines technischen Betriebs notwendig ist. Ab 1948 besuchte er die einzige Ingenieurschule in der französischen Zone in Konstanz. Montags bis freitags Student, am Wochenende Juniorchef – 1950 war er fertiger Ingenieur und wurde Geschäftsführer von Handtmann.

Weltmarktführer für Füll- und Portioniermaschinen

In den kommenden Jahrzehnten baut der Träger des Bundesverdienstkreuzes erster Klasse den kleinen Biberacher Betrieb zu einem Weltunternehmen aus. Inflation, Währungsreformen, Wirtschaftskrisen – der Ehrenbürger der Stadt Biberach knickte vor den Problemen nicht ein. „Den Erfolg verdanken Sie insbesondere Ihrem Geschäftssinn, Ihrer Offenheit für Innovationen, Ihrer Risikobereitschaft gepaart mit einem großen Durchhaltevermögen“, sagte Oberbürgermeister Norbert Zeidler in seiner Laudatio. Heute zählt das Unternehmen 3600 Mitarbeiter weltweit und erwirtschafte im Jahr 2016 eine Umsatz von 835 Millionen Euro. Die Handtmann Unternehmensgruppe ist Weltmarktführer für Füll- und Portioniermaschinen. Darüber hinaus ist sie Deutschlands größte Aluminiumgießerei in Familienhand. 60000 Tonnen Gussteile werden in diesem Jahr insbesondere für die Autoindustrie gefertigt. Seit 1998 leitet sein Sohn Thomas die Firma. Aber, sofern es Arthur Handtmanns Gesundheit zulässt, ist er jeden Tag im Betrieb anzutreffen.

Sein täglicher Gang durch die Werke ist nur ein Zeichen dafür, wie wichtig ihm nach wie vor seine Mitarbeiter sind. „Sie haben einmal gesagt: ’Bei mir kommt der Mensch zuerst!‘“, sagte OB Zeidler. Und so war es vielleicht keine allzu große Überraschung bei der Matinee, dass Arthur Handtmann an seinem 90. Geburtstag auch seinen Mitarbeitern ein Geschenk machte. Gemeinsam mit seine Frau gründete er anlässlich seiner Jubelfeier die „Arthur und Ilse Handtmann Mitarbeiterstiftung“. Auf unbürokratische Art und Weise erhalten Mitarbeiter und Angehörige, die in eine besondere Notlage geraten sind, aus der Mitarbeiterstiftung künftig finanzielle Unterstützung.

Mit 17 Jahren zur Luftwaffe nach Danzig einberufen

Arthur Handtmanns Engagement – er unterstützte unter anderem auch den Bau des Hospiz „Haus Maria“, das Wieland-Gymnasium und die Kleine Schützenmusik mit Spenden – rührt wahrscheinlich aus seinen Erlebnissen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs her. Mit 17 Jahren wurde er zur Luftwaffe nach Danzig einberufen, im Alter von 18 Jahren fand er sich in amerikanischer Kriegsgefangenschaft wieder: „Hier habe ich mich von meiner Jugend verabschiedet und in mir ist ein Verhalten entstanden, das mir heute noch als Richtschnur dient.“

Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht, keine Nahrung, keine ärztliche Hilfe – „Schwache hatten keine Lobby und wurden gnadenlos gepiesackt“, erzählt das Ehrenmitglied der Schützendirektion. Er organisierte die Essensverteilung in seiner Zehnergruppe und kam dank seiner Englischkenntnisse an zusätzliches Essen aus dem Müll. Er sagt: „Dieses brachte ich dann zurück ins Lager und stellte es den Ärmsten als eine Art Zusatzessen zur Verfügung.“ Dieses, sich für andere Menschen verantwortlich fühlen, habe er sich bewahrt. In dieser schweren Zeit durchzuhalten – dabei hat ihm auch seine Heimatstadt Biberach geholfen. „400 Kilometer von der Heimat entfernt, hatte ich gehört, Biberach existiere noch. Von da an gab es für mich nur ein Ziel: Raus aus dem Lager, heim zu den Eltern.“ Nach vielen Mühen dort angekommen, habe er ein Glücksgefühl empfunden, das er bis heute für Biberach einsetzt.

Seit 65 Jahren mit seiner Frau Ilse verheiratet

Durch den Großteil seines Lebens begleitet ihn seine Frau Ilse. „In diesem sehr unterschiedlichen Zeitraum von 70 Jahren habe ich in meiner Frau den besten Weggenossen gehabt“, sagt Arthur Handtmann. Sie habe mit ihm alle privaten und wirtschaftlichen Probleme freimütig durchgesprochen und nach Lösungen geforscht. Er dankte ihr für ihre klaren, einfühlsamen und intelligenten Meinungsäußerungen. Im September dieses Jahres feiert das Ehepaar eiserne Hochzeit. Seit 65 Jahren sind sie dann verheiratet. Drei Kinder bekamen sie: Thomas, Elisabeth und Ursula. Letztere Tochter starb im Jahr 2011. 17 Enkel und ein Urenkel zählt das Jubelpaar inzwischen. „Wir beide möchten, dass der Bestand der Handtmann-Betriebe erhalten bleibt“, sagt das Familienoberhaupt. Deshalb haben sie eine Familiencharta niedergeschrieben, an die sich die Familienmitglieder halten müssen. Bei einem jährlich stattfindenden Familientag werden alle über die Weiterentwicklung der Unternehmensgruppe informiert. In diesem Jahr steigt die fünfte Generation ins Unternehmen ein: die Enkel Markus Handtmann, Stefanie Strudel und Valentin Ulrich.

Eine Sommerlinde als Geschenk

Was schenkt man einem Arthur Handtmann zum 90. Geburtstag? Die Stadtverwaltung hat sich etwas ganz besonderes ausgedacht: Der Jubilar erhält eine Sommerlinde. Sobald das Wetter besser ist, werden Mitarbeiter an einem schönen Plätzchen auf dem Gigelberg die Arthur-Handtmann-Linde pflanzen. Die herzförmigen Blätter symbolisierten Handtmanns Liebe zu seinen Mitmenschen, sagte Zeidler. Zudem sei die Linde ein Gewächs, das sich Jahr für Jahr neu entwickelt und immer in Veränderung ist: „Diese Linde hat viele Gemeinsamkeiten mit Ihnen.“